Verfasst von Matthias Freitag am
We are back!
Erneuter Besuch beim Adamstown Community College, Irland
Vor drei Jahren (Faschingsferien 2020) standen wir (Frau Kolbert, Herr Kaiser, Herr Weidner, Frau Bankmann) kurz vor der Heimreise noch etwas verdutzt vor den Aushängen der Apotheken in Dublin, auf denen zu lesen war, dass medizinische Masken völlig ausverkauft sind. Wuhan – das war weit und COVID 19 ein völlig neuer Begriff. Wir diskutierten angeregt die Erfahrungen, die wir im Adamstown Community College gewonnen hatten, und planten, im folgenden Jahr erneut zwei Kollegen an diese Partnerschule zu entsenden. Aber es kam ganz anders: zwei Wochen nach unserer Rückkehr kam es zum Lockdown und nachfolgend zu einem Verbot von Auslandsreisen für Schüler und Lehrkräfte. Entsendungen über Erasmus+ konnten nicht erfolgen, aber der Zeitraum für die Durchführung verlängert werden. So kam es, dass unser ursprünglich für 2021 geplanter Besuch im Jahr 2023 doch noch nachgeholt werden konnte.
„Lernen von anderen – Schulentwicklung über Landesgrenzen hinweg“ ist die Richtschnur, unter der wir Auslandsaufenthalte nutzen, um Strukturen an unseren Partnereinrichtungen kennen zu lernen und evtl. Aspekte davon für die Staatliche Berufsschule II Bamberg zu übernehmen. Bei diesem erneuten Aufenthalt im Februar 2023 in Adamstown interessierten uns Auswirkungen der Pandemie auf den Schulbetrieb dort, daraus resultierende Veränderungen sowie eventuelle Unterstützungssysteme für Schülerschaft und Lehrkräfte. Wir (Herr Weidner und Frau Bankmann) kamen am Adamstown Community College ins Gespräch mit der stv. Schulleiterin Bridget Kenny, dem Schulleiter Mr. Davids, mehreren Lehrkräften sowie der Erasmus+ – Beauftragten.
2020 kam es auch in Irland zu einem Lockdown der Schulen während dem / nach dem die Lehrkräfte dort ähnliche Erfahrungen machten, wie wir hier in Deutschland:
- die Ausstattung von Schüler/innen mit Laptops war sehr unterschiedlich, Leihgeräte mussten beschafft und zur Verfügung gestellt werden.
- die aktive Beteiligung am Distanzunterricht hing stark von der individuellen Leistungsbereitschaft der Schüler/innen ab.
- manche Schüler/innen „versteckten“ sich hinter Icons auf dem Bildschirm.
- Lehrkräfte standen vor großen Herausforderungen bezüglich der Konzeption und Durchführung von Distanzunterricht.
- eine Notengebung war sehr schwierig.
- es gab ein umfangreiches Hygienekonzept für die Wiederaufnahme des Schulbetriebes.
- Schüler/innen hatten/haben verstärkt mit psychischen Problemen zu kämpfen.
Veränderungen in der Schulorganisation waren deutlich sichtbar:
- In Adamstown Community College gilt nun ein völliges Handyverbot für die Schüler/innen und in den Fluren sind Überwachungskameras installiert. Der Schulleiter sah sich zu diesen Maßnahmen veranlasst, nachdem es zu verschiedenen Vorfällen im Haus und an benachbarten Schulen gekommen war.
- Alle 14 Tage werden verhaltenstherapeutische und/oder psychologische Sitzungen, zugeschnitten auf einzelne Schüler/innen, angeboten. Dafür kommen externe Spezialisten ins Haus. Der Aufbau multiprofessioneller Teams in Schulen ist in Irland (noch) kein Thema. Bridget nimmt in ihrer Rolle als Counselor die Aufgaben wahr, die bei uns von Sozialpädagogen, Beratungslehrkraft und Jugendsozialarbeiterin übernommen werden.
- Die Kommunikation innerhalb und außerhalb der Schule verläuft zunehmend digital. Adamstown Community College kommuniziert über die Google Plattform. Auch die Eltern können sich von außen auf diese Plattform einloggen, um Absenzen und Notenlisten ihrer Kinder einzusehen.
Auch hinsichtlich Unterrichtsentwicklung waren Veränderungen erkennbar:
- Grundlagen der beruflichen Bildung werden nach einem dreisemestrigen Lehrplan unterrichtet, der dem unserer Berufsvorbereitung ähnelt.
- „New Irish“ – Schüler/innen, die in Irland geboren und aufgewachsen sind, deren Eltern jedoch aus anderen Ländern stammen, sind zunehmend der englischen Sprache nicht mächtig und können dem Unterricht nur schwer folgen.
- Werteerziehung (Values) und das Einstehen für eigenes Fehlverhalten (Restorative Practice) wird stärker in den Fokus gerückt.
Auswirkungen der verschiedenen globalen Krisen zeigten sich im „Alltagsleben“:
- Der Fachkräftemangel ist ein großes Problem. Die Werbung für die Besetzung freier Stellen verläuft offensiver als hier bei uns. Stadtbusse in Dublin zeigten z.b. im Display den Text: „We pay you 850 € / week when you drive this bus.”
- Die Lebenshaltungskosten sind stark angestiegen. Ein Pint Bier kostet zwischen 6,50 € und 9,50 €, ein Hauptgericht im Restaurant ab 18 €.
- Wohnungen in Dublin sind schon immer Mangelware. Nun verdrängen besser Verdienende schlechter Verdienende aus deren Wohnungen, da sich diese sie nicht mehr leisten können. Mieterschutzbestimmungen nach deutschem Muster bestehen in Irland nicht. Die Anzahl der Obdachlosen ist stark gestiegen.
- Unterstützungsangebote für psychische Probleme werden auf Anzeigentafeln beworben, z. B.: „find support at yourmentalhealth.ie“
Es war schön, wieder am Adamstown Community College zu sein und die Kolleginnen und Kollegen wiederzusehen. Auch gab es viel zu vergleichen – welche Veränderungen waren an der jeweiligen Schule aufgetreten? Welche Maßnahmen wurden eingeleitet? Welche Aspekte sind übertragbar? Es zeigte sich, dass Probleme und Lösungsstrategien wohl europaweit ähnlich sind.
Ruth Bankmann und Ralf Weidner